Aus dem Usinger Anzeiger vom 20.5.2009
"Sonaten, Opern - und Musik aus dem Ghetto"
Bad Homburger Kammerorchester spielte in der evangelischen Kirche zu Wehrheim Werke von sechs Komponisten
WEHRHEIM (cju). Zum dritten Mal gastierte das Bad Homburger Kammerorchester in der evangelischen Kirche zu Wehrheim und die Besucherkulisse zeigte, dass ihr guter Ruf schon lange über den Taunuskamm gekommen ist. Unter der Leitung von Peter Seebach zeigten die Musiker ihr Können mit Werken von sechs Komponisten. Als Solisten traten Gina Gaul an der Querflöte und Samantha Gaul als Sängerin in Erscheinung und heimsten verdienten Applaus ein. "Wir sind im Jahr der Jubiläen", meinte Regine Strasburger zum Auftakt des Konzertabends, man erinnere sich an den 250. Todestag von Georg Friedrich Händel und den 200. Todestag von Joseph Haydn. Nicht zuletzt aus diesem Anlass habe man die beiden Komponisten ins Programm genommen. Strasburger, die wieder an der Orgel und dem Cembalo mitspielte, freute sich sichtlich, dass so viele Konzertbesucher erschienen waren.
Das Concerto grosso in B-Dur von Händel kam als erstes Stück zu Gehör. Peter Seebach erläuterte zu den Kompositionen das eine oder andere Detail, was die Einordnung für die Konzertbesucher erleichterte. So ist dieses Concerto dadurch besonders interessant, da es der Oboe, einem sonst eher stiefmütterlich behandelten Instrument Soloelemente erlaube. Mit Allesandro Parisottis "Se tu m´ami" ging es weiter, das erste Stück, in dem die 17-jährige Samantha Gaul in einem weißen Kleid mit Pailletten und einer kleinen Pelzstola auftrat. "Sängern und Gesangstudenten ist dieser Komponist sehr bekannt", so Seebach, "denn er hat eine umfangreiche Sammlung an Liedern verfasst". Mit Giovanni Battista Pergolesis "Sizzoso mio stizzoso" aus der Mini-Oper "La Serva Padrona" ging es weiter. Dieses Stück sei einem der Werke entnommen, die in den Umbaupausen der großen Oper gegen die Langeweile des Publikums gespielt würden. Das pointierte "Zit, zit", welches Gaul augenzwinkernd vortrug, bedeutet soviel wie "Ruhig, still sein" und wurde, wie die gesamte Oper, als Symbol für bürgerliche Emanzipationsbestrebungen verstärkt im Vorfeld der französischen Revolution aufgeführt. Auch die Handlung - die Dienerin macht sich zur Herrin ihres adeligen Herrn - war dazu geeignet, die Wünsche der Bürger voranzutreiben. Vor allem der Ausruf "Zit", mit dem Serpina ihren Pantoffelhelden Uberto herumkommandiert, wurde sprichwörtlich. Aus der Oper "Rinaldo" von Händel bot Gaul noch "Laschia ch´io pianga" (frei übersetzt lass es zu, dass ich weine) und danach durfte sie erneut viel Applaus genießen. Mit dem Lied "Donna, Donna", das in den 60er Jahren sowohl von Folklegende Joan Baez wie auch von Donovan gesungen und interpretiert wurde, wurde kurz die Welt der Klassik und der Oper verlassen. Der Hintergrund des Liedes ist allerdings eher traurig: Der Schriftsteller Itschak Katsenelson (1886-1944) schrieb es 1942 im Warschauer Ghetto, als seine Familie und tausende andere Juden in das Vernichtungslager Ausschwitz deportiert wurden. Donna, Donna ist das Lied vom Kälbchen, das sich nicht wehrt zur Schlachtbank geführt zu werden.
Mit Mozarts Kirchensonate C-Dur für Orgel und Streicher ging es weiter im musikalischen Reigen. Mozarts Kirchensonaten, so Peter Seebach, seien alle nicht länger als sechs bis sieben Minuten, "weil der Gottesdienst nicht länger als eine Dreiviertelstunde dauern darf", zitierte Seebach aus einem Brief des Genies.
Johann Joachim Quantz hat in seiner Ausbildung zum Stadtpfeifer eine Fülle von Instrumenten gelernt: Oboe, Trompete, Fagott, Blockflöte und Kontrabass, um nur ein paar zu nennen. Bekannt wurde er als Flötenlehrer von Friedrich dem Großen, der ihn 1741 an seinen Hof holte. Mehr als 300 Flötenkonzerte hat er geschrieben und dabei stets die Meinung vertreten, dass Flöte nichts für Frauen sei, "es verzerrt die Gesichtszüge", so Seebach amüsiert, denn mit diesem Konzert hatte Samantha Gauls große Schwester Gina mit ihrer Flöte den Auftritt.
Mit einem Konzert für Violine, Cembalo und Streicher von Joseph Haydn, bei dem Peter Seebach zur Violine griff, endete der Konzertabend.
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Aus der Taunus-Zeitung vom 19.5.2009
"Junge Preisträgerin begeistert Zuhörer"
Das Publikum erlebte am Sonntag ein sehr ausgewogenes Konzert in der evangelischen Kirche. Regine Strasburger spielte an Orgel und Cembalo.
Wehrheim. Ein in sich sehr rundes und harmonisches Konzert erfreute am Sonntagabend die Zuhörer in der evangelischen Kirche. Regine Strasburger als Organisatorin der Wehrheimer Kirchenkonzerte hatte das Bad Homburger Kammerorchester unter Leitung von Peter Seebach für ein Gastspiel gewinnen können. Ein Oboen-Konzert von Georg Friedrich Händel - das Concerto grosso in B-Dur opus 3.2 - eröffnete den Reigen und präsentierte zugleich das gesamte Orchester. Eine Gesamtdarstellung, wieder mit Strasburger am zweimanualigen Cembalo, diesmal das Konzert F-Dur für Violine, Cembalo und Streicher, von Joseph Haydn führte zum Abschluss.
Eingebettet waren hierin drei Arien, welche die 1992 geborene Samantha Gaul vortrug sowie das Flötenkonzert G-Dur von Johann Joachim Quantz, das die ältere Schwester Gina vortrug. Beiden gebührte der intensive wie verdiente Applaus des Publikums. Strasburger selbst setzte als Solistin Akzente an der Kirchenorgel bei der Kirchensonate C-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart, hier: das Allegro. Einmal nicht Bach, sondern Mozart an der Königin der Instrumente zu hören, bezeichnete Seebach als "Rarität". Die Kürze seiner Kirchensonaten - fünf bis sechs Minuten - hatte Mozart damit begründet, dass "der Gottesdienst nicht länger als 45 Minuten dauern darf".
Die gesanglichen Höhepunkte im Konzert gestaltete die gerade 17-jährige Samantha Gaul. Sie ist Bundespreisträgerin des 1. Preises für Solo-Gesang sowie Sonderpreisträgerin mehrerer Stiftungen und absolvierte im Frühjahr 2008 ein Praktikum an der Oper Frankfurt. Die von ihr unter anderem vorgetragene Händel-Arie "Laschia ch'io pianga" - "Lass mich beweinen" - bekam langen Applaus. Als Samantha Gaul dann als Zugabe das bekannte Lied "Donna, Donna" sang, wäre die sprichwörtlich fallende Stecknadel zu hören gewesen. Gänsehaut bei dieser sehr einfühlsamen Interpretation, die dem Hintergrund des Textes gerecht wurde: Der Schriftsteller Itschak Katsenelson schrieb das Lied 1942 im Warschauer Ghetto, als seine Familie in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. "Donna, Donna" ist das Lied vom Kälbchen, das sich nicht wehrt, zur Schlachtbank geführt zu werden.
Harmonisches Orchester
Gina Gaul stand ihrer Schwester Samantha bei ihrem Auftritt mit der Querflöte in nichts nach. Sie brillierte mit dem Flötenkonzert G-Dur von Johann Joachim Quantz. Der war bekanntlich jener, welcher dem späteren Preußenkönig Friedrich II. die Flötentöne beibrachte. 1728 begann Friedrich heimlich mit dem Flötenunterricht bei Quantz, der 1714 selbst eine sehr umfangreiche Ausbildung als Stadtpfeifer in Pirna (Sachsen) genossen hatte. In die Zeit des Barock passte auch wunderbar das abschließende Haydn-Konzert in F-Dur, das nicht nur das gesamte Orchester noch einmal in seiner Harmonie musikalisch erstrahlen ließ, sondern auch eine gut aufgelegte Regine Strasburger im Duett mit Peter Seebach an der Violine präsentierte. sgb
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