Aus der Taunus-Zeitung vom 18.11.2009
Eine bemerkenswerte Leistung
Am Sonntag trat in der evangelischen Kirche das Alice-Quartett aus Darmstadt auf. Die Musiker überzeugten mit einem fast frühlingshaft-leichten Lerchenquartett, widmeten sich aber auch der Schwere des tristen Novembermonats in der von Franz Schubert komponierten musikalischen Fassung des Gedichts von Matthias Claudius, «Der Tod und das Mädchen».
Wehrheim. «Was wäre die Musik ohne Dissonanzen, nur mit Konsonanzen?» Kirchenmusikerin Regine Strasburger bereitete die Zuhörer in der evangelischen Kirche am Sonntagnachmittag auf zwei Stunden Streichmusik in erstklassiger Besetzung vor.
Auf dem Programm stand auch ein Dissonanzenquartett von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 17819). In seiner Zeit hielt man die fremden Akkorde teilweise noch für «Stichfehler» in den Noten. Im 19. Jahrhundert kamen Dissonanzen dann in Mode, und die Spannung erzeugenden Klänge wurden von Komponisten häufiger verwendet.
Das Alice-Quartett aus Darmstadt – Andrea Kim (Erste Violine), Almuth Luick (zweite Violine), Vaida Rozinskaite (Viola) und Albrecht Fiedler (Violoncello) – machte die Dissonanzen von Mozart zu einem Hörgenuss für das Publikum. Also doch fast gefühlte Konsonanz, eben nicht ganz die für Mozart typische Harmonie.
Außer Mozart kam beim Kirchenkonzert auch ein Jubilar des Jahres, Joseph Haydn (1732 bis 1809) zu Gehör. Sein Lerchenquartett brachte gleich zu Beginn leichte Fröhlichkeit ins Gotteshaus. Die Musik schien den einbrechenden tristen Novemberabend für kurze Zeit davonfliegen zu lassen wie die Feldvögel.
Erstklassig die Leistung des Streichquartetts, das erst seit kurzem miteinander musiziert. Beim Lerchenquartett konnte man dem schnellen Flügelschlag gut nachspüren, mit dem Andrea Kim an der ersten Violine die Vögel in die Lüfte steigen ließ. Immer wieder zurückgeholt vom bodenständigen Violoncello und seinem Musiker Albrecht Fiedler. Um wieder gemeinsam mit zweiter Violine und Viola sich gegenseitig wie in die Lüfte zu peitschen – eine bemerkenswerte Leistung.
Im Mittelpunkt des zweiten Teils des Konzerts stand das vertonte Gedicht von Matthias Claudius, «Der Tod und das Mädchen». Das leise Bitten des Mädchens, das in einem lauten Flehen «Geh, wilder Knochenmann» mündete, die lockende Antwort: «Gib deine Hand, du schön und zwar Gebild‘», übersetzten die Musiker in brillant-virtuoser Weise in Töne. Lockend und scheinbar zart wieder der Tod: «Bin Freund und komme nicht zu strafen».
Angst wurde fast körperlich spürbar
Die Angst des Mädchens wurde in der Musik fast körperlich spürbar, gleiches gilt für den Versuch, ihn abzuwehren: «Ich bin doch jung, geh’ lieber!» Die Musiker setzen einfühlsam die ganze Spannung dieses emotionalen Gedichts in Töne um, vom leise fordernden Werben des «Knochenmanns» über das Flehen, die Hoffnung und dann die zum Schrei werdende Angst des Mädchens bis hin zum leisen Sieg des Todes.
Am Samstag, 12. Dezember gibt es in der evangelischen Kirche ein festliches Adventskonzert zu hören. Die Oberurseler Kantorei, Gesangssolisten und die Kammerphilharmonie Rhein-Main musizieren unter Leitung von Gunilla Pfeiffer. Beginn ist um 19 Uhr. mai
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